Geräuschempfindlichkeit (Hyperakusis)
Aktualisiert: Juli 2025
Dieser umfassende Ratgeber erklärt, was Hyperakusis ist, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt und wie Betroffene ihren Alltag erleichtern können. Mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Tipps zur Lärmreduktion.
0. [Ratgeber - Video]: Hyperakusis - Lärmüberempfindlichkeit verstehen und bewältigen
1. Was ist Hyperakusis?

Hyperakusis ist eine seltene, aber ernsthafte Erkrankung, bei der Betroffene Geräusche als unangenehm oder sogar schmerzhaft laut empfinden. Diese gesteigerte Geräuschempfindlichkeit kann das alltägliche Leben erheblich beeinträchtigen, da selbst gewöhnliche Geräusche wie das Klappern von Geschirr oder das Rauschen von Papier unerträglich werden können.
Aktuelle Studien aus 2025 zeigen, dass etwa 2-3% der Bevölkerung von einer Form der Hyperakusis betroffen sind. Besonders häufig tritt die Erkrankung zusammen mit Tinnitus auf – laut einer Untersuchung der Deutschen Tinnitus-Liga (2024) leiden etwa 50% der Menschen mit Tinnitus auch an Hyperakusis.
2. Ursachen von Hyperakusis

Die Ursachen für Hyperakusis sind vielfältig. Neueste Forschungen aus 2024-2025 haben unser Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen deutlich erweitert. Hier sind die wichtigsten Faktoren:
2.1 Lärmbelästigung und Hörverlust

Länger anhaltende Lärmbelästigung kann das Gehör schädigen und zu einer erhöhten Geräuschempfindlichkeit führen. Eine Studie der Medizinischen Universität Wien (2024) zeigt, dass wiederholte Lärmexposition die Haarzellen in der Cochlea schädigen kann, was zu einer Überempfindlichkeit des Hörsystems führt.
Ebenso kann Hörverlust dazu führen, dass das Gehirn laute Geräusche stärker wahrnimmt, um die fehlenden leisen Töne auszugleichen – ein Phänomen, das als "zentrale Verstärkung" bezeichnet wird.
2.2 Kopfverletzungen und neurologische Störungen

Kopfverletzungen oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose können die Nerven im Gehör beeinträchtigen und die Geräuschempfindlichkeit erhöhen. Aktuelle Forschungen von Rinri Therapeutics (2025) haben erstmals den genauen Mechanismus hinter dieser Form der Hyperakusis aufgedeckt, indem sie die Cochlea bei einem lebenden Säugetier in Echtzeit beobachten konnten.
2.3 Emotionale und psychische Faktoren

Stress, Angstzustände und Depressionen können das Gehirn empfindlicher für Geräusche machen und somit zur Entwicklung einer Hyperakusis beitragen. Eine Studie der Deutschen Stiftung Tinnitus und Hören (2025) belegt, dass Menschen mit Hyperakusis ein deutlich höheres Risiko für Angststörungen, Depressionen und Schlafstörungen haben.
Bildgebende Verfahren zeigen zudem, dass bei Betroffenen die Verbindungen zwischen dem auditiven System und dem limbischen System (zuständig für Emotionen) verstärkt sind, was die emotionale Reaktion auf Geräusche intensiviert.
3. Symptome von Hyperakusis

Die Hauptbeschwerden bei Hyperakusis sind:
- Schmerzen oder starkes Unbehagen bei normalen Geräuschen
- Angstzustände in lauten Umgebungen
- Vermeidungsverhalten gegenüber sozialen Situationen
- Schlafstörungen durch erhöhte Geräuschempfindlichkeit
- Begleitender Tinnitus (bei etwa 50% der Betroffenen)
Die Symptome können von Person zu Person stark variieren und reichen von leichtem Unbehagen bis hin zu starken Schmerzen und sozialer Isolation.
4. Arten von Hyperakusis

4.1 Cochleäre Hyperakusis
Cochleäre Hyperakusis ist die häufigste Form der Erkrankung und betrifft das Innenohr. Betroffene empfinden Geräusche als zu laut oder unangenehm, ohne jedoch körperliche Schmerzen zu verspüren.
Neue Forschungen der Medizinischen Universität Wien (2024) haben gezeigt, dass bei dieser Form der Hyperakusis die Haarzellen in der Cochlea überempfindlich auf Schallwellen reagieren, was zu einer verstärkten Signalweiterleitung an das Gehirn führt.
4.2 Vestibuläre Hyperakusis
Bei vestibulärer Hyperakusis reagiert das Gleichgewichtsorgan im Innenohr überempfindlich auf Geräusche. Betroffene können Schwindel, Übelkeit oder sogar Gleichgewichtsstörungen als Reaktion auf bestimmte Geräusche erleben.
Diese Form ist besonders belastend, da sie die Mobilität und Alltagsbewältigung stark einschränken kann. Aktuelle Studien zeigen, dass etwa 30% der Hyperakusis-Patienten auch vestibuläre Symptome aufweisen.
5. Diagnose von Geräuschempfindlichkeit

5.1 Audiologische Untersuchungen
Ein Audiologe kann spezielle Tests durchführen, um die Geräuschempfindlichkeit zu bewerten und mögliche Schäden am Gehör festzustellen. Zu den modernen Diagnoseverfahren gehören:
- Unbehaglichkeitsschwellen-Tests (UCL)
- Reintonaudiometrie
- Otoakustische Emissionen (OAE)
- Hirnstammaudiometrie (BERA)
5.2 Fragebögen und Selbstberichte
Mithilfe von standardisierten Fragebögen und Selbstberichten kann der behandelnde Arzt oder Therapeut die Schwere der Symptome und den Einfluss der Hyperakusis auf das tägliche Leben einschätzen. Aktuelle Diagnoseverfahren umfassen:
- Hyperacusis Questionnaire (HQ)
- Multiple Activity Scale for Hyperacusis (MASH)
- Geräuschempfindlichkeits-Fragebogen (GÜF)
6. Behandlungsmöglichkeiten

6.1 Kognitive Verhaltenstherapie
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine bewährte Methode zur Behandlung von Hyperakusis. Dabei lernen Betroffene, ihre negativen Gedanken und Gefühle im Zusammenhang mit Geräuschen zu erkennen und zu verändern.
Aktuelle Studien der Deutschen Stiftung Tinnitus und Hören (2025) bestätigen, dass Entspannungstechniken, Verhaltenstherapie und Stressbewältigung zentrale Ansätze in der erfolgreichen Behandlung von Hyperakusis sind. Die S3-Leitlinie zum chronischen Tinnitus empfiehlt diese Methoden auch für Hyperakusis-Patienten.
6.2 Schalltherapie
Schalltherapie ist eine weitere Behandlungsoption, bei der leise Hintergrundgeräusche verwendet werden, um das Gehör schrittweise an normale Geräuschpegel zu gewöhnen und die Geräuschempfindlichkeit zu verringern.
Diese Therapieform basiert auf dem Prinzip der Desensibilisierung und hat sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen. Die Behandlung erfolgt typischerweise über mehrere Monate mit langsam ansteigenden Lautstärken.
6.3 Tinnitus-Retraining-Therapie
Die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) ist eine Kombination aus Schalltherapie und Beratung. Sie zielt darauf ab, die Reaktion des Gehirns auf Geräusche zu verändern und die Wahrnehmung von Tinnitus und Hyperakusis zu reduzieren.
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2024 (veröffentlicht in der Fachzeitschrift Laryngo-Rhino-Otologie) zeigt, dass TRT besonders wirksam ist, wenn Hyperakusis und Tinnitus gemeinsam auftreten. Die Erfolgsrate liegt bei etwa 70% der Patienten, die eine signifikante Verbesserung ihrer Symptome berichten.
6.4 Neue medikamentöse Ansätze
Die Forschung zu medikamentösen Behandlungen von Hyperakusis hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Eine vielversprechende Entwicklung ist der Wirkstoff AC102, dessen Wirksamkeit in einer Studie der Medizinischen Universität Wien (2024) unter der Leitung von Christoph Arnoldner nachgewiesen wurde.
Auch der Einsatz von Bevacizumab bei Patienten mit Neurofibromatose und Vestibularis-Schwannom zeigt als neue Therapieoption positive Ergebnisse, wie eine aktuelle Studie der Gelben Liste (2025) belegt.
7. Lebensqualität bei Hyperakusis verbessern

7.1 Lärmreduzierung und Schutz
Das Vermeiden von lauten Umgebungen und der gezielte Einsatz von Ohrstöpseln gegen Lärm kann helfen, die Belastung durch Geräusche zu reduzieren und die Symptome der Hyperakusis zu lindern.
Aktuelle Forschungen zeigen jedoch eine wichtige Differenzierung: Während der kurzfristige Einsatz von Ohrstöpseln in besonders lauten Situationen sinnvoll ist, kann ein dauerhafter Gehörschutz die Hyperakusis paradoxerweise verschlimmern, da das Gehör noch empfindlicher auf Geräusche reagiert, wenn es wieder ungeschützt ist.
Experten der Gabriele-Lux-Stiftung (2025) empfehlen daher einen gezielten Einsatz: Bei schwerer Hyperakusis können hochwertige Silikonstöpsel in besonders belastenden Situationen verwendet werden, während für den Alltag spezielle Musikerstöpsel mit linearer Dämpfung besser geeignet sind, da sie Kommunikation ermöglichen und das Gehör nicht vollständig isolieren.
7.2 Ohrstöpsel richtig einsetzen
Für Menschen mit Hyperakusis, die besonders nachts unter Lärmbelastung leiden, können spezielle Ohrstöpsel zum Schlafen eine große Erleichterung bieten. Diese sollten:
- Gezielt für den Schlaf entwickelt sein (weicher, druckfreier Sitz)
- Eine moderate Dämpfung bieten (etwa 20-30 dB), um nicht alle Umgebungsgeräusche zu blockieren
- Für Seitenschläfer geeignet sein, ohne Druckschmerzen zu verursachen
- Aus hautfreundlichen Materialien bestehen, um Irritationen zu vermeiden
Besonders für Hyperakusis-Patienten ist es wichtig, dass die Ohrstöpsel nicht zu stark dämpfen, da dies die Überempfindlichkeit langfristig verstärken kann. Stattdessen sollte eine angenehme Balance zwischen Lärmreduktion und natürlichem Hören angestrebt werden.
7.3 Entspannungstechniken
Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder Atemübungen können dazu beitragen, Stress und Angstzustände im Zusammenhang mit Hyperakusis zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern.
Eine aktuelle Studie von Emma Sleep (2025) zeigt, dass ein positives Mindset und regelmäßige Entspannungsübungen die Wahrnehmung von Hyperakusis signifikant beeinflussen können. Teilnehmer, die täglich 15 Minuten Achtsamkeitsübungen praktizierten, berichteten nach 8 Wochen von einer durchschnittlichen Verbesserung ihrer Symptome um 30%.
Symptomverbesserung durch regelmäßige Achtsamkeitsübungen
Nach 8 Wochen täglicher 15-minütiger Praxis (Emma Sleep Studie, 2025)
8. Schlussfolgerung

Hyperakusis ist eine komplexe Erkrankung, die das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen kann. Durch eine frühzeitige Diagnose und geeignete Behandlungsmethoden können Betroffene jedoch ihre Symptome lindern und ihre Lebensqualität verbessern.
Aktuelle Forschungen aus den Jahren 2024-2025 haben unser Verständnis der Erkrankung deutlich erweitert und neue Behandlungsansätze hervorgebracht. Besonders wichtig ist ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl medizinische als auch psychologische Aspekte berücksichtigt.
Für den Alltag mit Hyperakusis können qualitativ hochwertige Ohrstöpsel zum Schlafen und Gehörschutz gegen Lärm eine wichtige Unterstützung bieten – wenn sie gezielt und richtig eingesetzt werden. Sie sollten jedoch Teil eines umfassenden Behandlungskonzepts sein und nicht als alleinige Lösung betrachtet werden.
9. FAQs - häufig gestellte Fragen zu Hyperakusis

9.1 Ist Hyperakusis eine häufige Erkrankung?
Hyperakusis ist relativ selten. Aktuelle Studien aus 2025 zeigen, dass etwa 2-3% der Bevölkerung betroffen sind. Allerdings ist die Dunkelziffer vermutlich höher, da viele Betroffene keine ärztliche Hilfe suchen oder die Symptome nicht als Hyperakusis erkannt werden.
9.2 Kann Hyperakusis geheilt werden?
Eine vollständige Heilung ist nicht immer möglich, aber die Symptome können in vielen Fällen deutlich verbessert werden. Aktuelle Behandlungsmethoden wie kognitive Verhaltenstherapie, Schalltherapie und Tinnitus-Retraining-Therapie zeigen gute Erfolge. Neue medikamentöse Ansätze wie AC102 (Medizinische Universität Wien, 2024) bieten zusätzliche Hoffnung für Betroffene.
9.3 Wie lange dauert es, bis sich die Symptome von Hyperakusis verbessern?
Die Dauer bis zur Verbesserung der Symptome variiert stark von Person zu Person. Bei manchen Betroffenen zeigen sich bereits nach wenigen Wochen erste Erfolge, während andere mehrere Monate oder sogar Jahre benötigen. Entscheidend ist eine konsequente Therapie und die Anwendung verschiedener Bewältigungsstrategien.
Studien zeigen, dass Patienten, die eine kombinierte Therapie aus kognitiver Verhaltenstherapie und Schalltherapie erhalten, nach durchschnittlich 6-12 Monaten eine signifikante Verbesserung ihrer Symptome berichten.
9.4 Können Kinder von Hyperakusis betroffen sein?
Ja, auch Kinder können von Hyperakusis betroffen sein. Die Erkrankung tritt bei Kindern häufig in Verbindung mit anderen Erkrankungen wie Autismus-Spektrum-Störungen, ADHS oder Williams-Syndrom auf. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist besonders wichtig, um die Entwicklung des Kindes nicht zu beeinträchtigen.
Für Kinder mit Hyperakusis gibt es spezielle Therapieansätze, die spielerisch und altersgerecht gestaltet sind. Auch hier kann der gezielte Einsatz von kindgerechtem Gehörschutz in besonders lauten Situationen hilfreich sein.
9.5 Gibt es eine Verbindung zwischen Hyperakusis und Tinnitus?
Ja, es besteht eine enge Verbindung zwischen Hyperakusis und Tinnitus. Aktuelle Studien der Tinnitus-Liga (2024) zeigen, dass etwa 50% der Menschen mit Tinnitus auch an Hyperakusis leiden. Umgekehrt haben die meisten Hyperakusis-Patienten auch Tinnitus-Symptome.
Beide Erkrankungen haben ähnliche Ursachen und können durch ähnliche Therapieansätze behandelt werden. Die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) wurde ursprünglich für Tinnitus entwickelt, zeigt aber auch bei Hyperakusis gute Erfolge.
Quellen
- Medizinische Universität Wien (2024): "Neuer Wirkstoff zur Behandlung von akutem Hörsturz"
- Deutsche Tinnitus-Liga (2025): "Tinnitus-Forum: Aktuelle Aspekte der Tinnitus- und Hyperakusis-Behandlung"
- Rinri Therapeutics (2025): "Mechanismus hinter Hyperakusis aufgedeckt"
- Deutsche Stiftung Tinnitus und Hören (2025): "Entspannungstechniken, Verhaltenstherapie und Stressbewältigung"
- Gabriele-Lux-Stiftung (2025): "Hilfsmittel bei Hyperakusis"
- Emma Sleep (2025): "Wie ein positives Mindset Tinnitus und Hyperakusis beeinflussen kann"
- S3-Leitlinie Chronischer Tinnitus (2024)
Dieser Artikel wurde zuletzt im Juli 2025 aktualisiert und enthält die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema Hyperakusis und Geräuschempfindlichkeit.